Mittwoch, 23. April 2025

Chapeau dem New York City Bonnet Festival



Wir Deutschen lieben ja bekanntlich unseren Karneval – vor allem im katholischen Süden, wo auch meine Eltern herstammen. Da wird kostümiert, marschiert, geschunkelt und gefeiert, was das Zeug hält – bevor die Fastenzeit alles wieder ein bisschen grauer macht.

Aber mal ehrlich: Warum eigentlich keine Parade an Ostern? Diese Frage ging mir durch den Kopf, als ich mich gestern auf den Weg zur legendären Easter Parade – oder besser gesagt zum Bonnet Festival – in Manhattan machte.

Andererseits: So ein Spektakel wie dieses bekommen wahrscheinlich wirklich nur die New Yorker hin. Wo sonst könnte so etwas stattfinden, wenn nicht auf der Fifth Avenue, direkt vor der ehrwürdigen St. Patrick’s Cathedral? Der perfekte Laufsteg für alle, die gesehen werden wollen – oder sich zumindest wünschen, es zu werden. Und dabei gilt: Je verrückter der Hut (und das Outfit dazu), desto besser!

Natürlich wollten meine Frau und ich da nicht hintenanstehen. Wir trugen zwei unserer Lieblingshüte aus unserem Film über Oswald Ottendorfer – dort treten wir als zwei „Geschichtswichtel“ auf. Ja, genau: Wichtel. Mit Bart, mit Haltung, mit Hut.



Doch nun zur großen Frage: Gibt’s eigentlich auch ein bisschen Deutschland in diesem New Yorker Osterwahnsinn? Tatsächlich! Inmitten all der Hüte – von politischen Statements bis hin zu kompletten Pasta-Outfits – entdeckten wir ein paar Touristen aus Stuttgart, die ver.di-Kappen trugen. (Für alle Nicht-Eingeweihten: ver.di ist Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft, Sitz in Berlin.)

Wie diese Truppe es durch die Immigration geschafft hat, ist uns bis heute ein Rätsel – gefragt haben wir lieber nicht. Aber sie waren überglücklich, als wir sie nach einem Foto fragten. “Ihr seid die Ersten!”, sagten sie – na bitte!


Die Easter Parade ist übrigens keine neumodische Erfindung, sondern eine echte New Yorker Tradition – seit den 1870ern. Damals war der Ostersonntag der Moment, um den neuen Hut auszuführen – Symbol für Neuanfang und gutes Benehmen (zumindest für einen Tag). Die High Society ging zur Messe in St. Thomas’ oder St. Patrick’s – und dann im besten Sonntagsstaat flanierend die Fifth Avenue rauf und runter.

Heute wird dort auch mit Chihuahua im Hasenkostüm oder Huhn im Kinderwagen promeniert. Unsere Queelin – ja, ein Schwein, und ja, unser Haustier – bleibt der Fifth Avenue zwar fern, aber auch sie trägt zu besonderen Anlässen gerne mal ein österliches Accessoire.



„Only in New York“, hört man immer wieder – und selten passt es so gut wie hier. Das Ganze ist ein farbenfrohes, gut gelauntes Chaos, ein Schlaraffenland für Fotografinnen und Hutliebhaberinnen – und das Wetter? Perfekt.

                                                                                * * *

Und dann – Überraschung! – haben wir sogar noch ein Stück Heimat entdeckt: Im Chelsea Market gab es deutsche Ostersüßigkeiten, original von Firma Weibler in Cremlingen bei Braunschweig.



Für alle, die Ostern gerne mit einem Hauch von Heimat feiern, ist das ein echter Volltreffer.

In diesem Sinne: Frohe Ostern! Und – wie wir Deutschen ja gerne sagen, besonders wenn wir auf Hüte schauen – chapeau!



Sonntag, 6. April 2025

Ach, St George’s Episcopal Church soll deutsch sein?

Der “Deutsches New York”-Blogger mit Queelin, dem vietnamesischen Hängebauchschwein

Wer hätte das gedacht: in meiner linken Hand halte ich ein Hängebauchschweins an der Leine; in der rechten ein Handy. Es ist Sonntag, der 23.Februar 2025. Ich  verfolge die Wahl-Nachrichten aus Deutschland und gehe dabei Gassi mit Hausschwein Queelin. Queelins Frauchen ist meine Schwägerin. Meine Frau und ich helfen ihr  hier und da aus, gehen eben auch mal spazieren mit Schweinchen Queelin (eine sie, 14 Jahre), meist im Stuyvesant Park (zwischen 15th und 17th Street, Rutherford Place). 

Stuyvesant? Bevor ich nach NYC kam, kannte ich diesen Namen nur im Zusammenhang mit Zigaretten. In New York lernte ich dazu: Peter Stuyvesant war Gouverneur von New York, als es noch New Amsterdam hieß, eine niederländische Kolonie in den Jahren 1624 - 1674. Er war ein vermögender Mann, besaß viel Grund und Boden dort, wo sich der nach ihm benannte Park heute befindet; aber auch das dem Park westlich angrenzende Grundstück, auf dem sich die  St George‘s Episcopal Church befindet, gehörte ihm.


 Peter Stuyvesant Statue   

Episcopal? Na, das hört sich eher britisch als niederländisch an. Ja, genau, die anglikanische Glaubensgemeinschaft, gegründet, wie aus der Tafelinschrift hervorgeht,1749. Aha, na klar, in der Zeit, als New York eine britische Kolonie war (1664 - 1776) . 

Diese Kirche britisch? Das Kirchengebäude sieht nicht gerade nach britischer Architektur aus. Eher deutsch vielleicht?

St. George’s Episcopal Church, Rutherford Place, Manhattan

Deutsch? Wozu hat man Internet? Ein Blick aufs Handy ergibt: Ursprünglich war St. George’s eine Kapelle, erbaut 1752, der Trinity Church zugehörig. Sie befand sich auf der Chapel Street, heute Beekman Street, in Lower Manhattan. Mit zunehmender Größe erlangte die Glaubensgemeinschaft Eigenständigkeit und entschied, weiter nördlich in das attraktive Stuyvesant Square-Viertel zu ziehen, wo die Kirche in den Jahren 1846 - 49 errichtet wurde.1865 zerstörte ein Feuer die Kirche; sie wurde wieder aufgebaut. 1889 aber mussten die beiden Türme entfernt werden.

1846 - 1849? Das  war doch die Zeit, als die vielen deutschen Auswanderer, die in New York lebten, ihren Stadtteil (heute East Village und Lower East Side) Kleindeutschland nannten. Ein Drittel der Einwohner New Yorks waren Mitte des 19. Jh. deutschstämmig. New York war nach Berlin und Wien die weltweit drittgrößte deutschsprachige Community. Wer hätte das gedacht?


Und deutsch klingen auch die Namen beider  Architekten Leopold Eidlitz und Otto Blesch.  Ein Blick ins Internet klärt auf; Tatsächlich, beide sind deutschstämmig. Der eine, Eidlitz, aus Prag, damals Kaisertum Österreich; der andere ging bei dem deutschen Stararchitekten des Königreiches Bayern, Friedrich von Gärtner, in die Lehre.  Beide wanderten Mitte des 19.Jh.in die USA aus, wo sie als Architekten Karriere machten.. Eidlitz gebührte die besondere Ehre, Gründungsmitglied des America Institute of Architects zu werden. 


Und was sagt uns das Kirchenäußere? Welcher Architekturstil? Laut Tafelinschrift:  Romanesque Revival, also der Neoromanik. Auch hier hilft das Internet: Diesen Stil nennt die Fachwelt Rundbogenstil. 


Rundbogenstil? Genaueres Studium lehrt uns, dass dieser Stil sehr typisch war im deutschsprachigen Raum Mitte des 19. Jahrhunderts. Deutsche Architekten suchten nach einem Architektur-Stil, der dem aufstrebenden deutschen Nationalismus und Wunsch nach Bildung einer deutschen Nation gerecht wurde. Und wie wir alle wissen, zur deutschen Reichsgründung kam es dann 1871. 


Ein Beispiel einer im Rundbogenstil errichtete Kirche ist die Ludwigskirche in München, erbaut 1829 - 1844. Und Ihr erratet nicht, was ich herausgefunden habe: Gestalterich stand die bayerische  Ludwigskirche Pate für das architektonische Konzept der St George”s Church. 


Links die Ludwigskirche in München, rechts die St George’s Church in New York (ca1870)


Wow, welche Welt ein Schweine-Spaziergang in Manhattan einem erschließt. Schweine, das müsst Ihr wissen, wühlen in der Erde auf der Suche nach verborgenen Schätzen. Ich tue es auch: in Büchern und Archiven, in Stadtteilen und Gebäuden - am besten mit dem Spürsinn eines Wildschweins - auf der Suche nach  Deutschem in New York. 


Manhattan bietet so viel Geschichte, eben und gerade auch viel deutsche Geschichte. An der  St George‘s Episcopal Church gehen so viele Menschen vorbei. Sie ahnen nicht, wie viel Geschichte der Stadt New York sich an dieser Kirche ablesen lässt. Sicher halten die wenigsten inne, um das schöne Kirchengebäude zu betrachten oder gar ihre Entstehungsgeschichte zu studieren. 


Mit dem, was einmal war, beschäftigt man sich leider zu wenig. Doch um zu verstehen, was heute ist, müssen wir uns mit  dem auseinandersetzen, was früher einmal war. 


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